18.01.2021
Die IoT-Profis aus dem Aaretal
Die Aartesys-Kompetenzen sind anwendungs- und branchenübergreifend. Von der Erfassung der Daten, über den Datentransport, bis hin zur Integration der vitalen Informationen in ihre bestehende Umgebung. Das Aartesys Know-how, die Produkte und Services sind in ganz unterschiedlichen Branchen und Industrien aktiv im Einsatz. Sei es zum Schutz vor Naturgefahren, in der Gebäudeautomation, Smart Metering in der Energiebranche oder Kontrolle und Steuerung von Geräten bei Grossverteilern. Franz Schenker hat sich mit Martin von Känel, CEO der Aartesys AG, über Digitalisierung, Daten und Technologie unterhalten.
Interview: Franz Schenker
Aartesys hat schon früh die Chancen der Digitalisierung und Übertragung von Daten erkannt. Wie kam es dazu?
Martin von Känel: Als ehemalige Ascom Mitarbeiter der Ascom Infrasys – dem damaligen Software- und Systemhaus in Solothurn – stammen die Aartesys Gründer aus der Telekommunikationsindustrie. Wir haben unsere Firma im Jahr 2000 in Biel gegründet, nota bene der Zukunfts- und Kommunikationsstadt, wie Biel damals und auch heute noch genannt wird. Mit der Digitalisierung ganz generell und der sicheren Übertragung von Daten waren wir schon seit eh sehr vertraut. Ein paar Stichworte zu unserer Tätigkeit bei Ascom und nachfolgend auch bei Aartesys unterstreichen dies:
- Systeme zur Überwachung der Dienstqualität bei Mobil- und Festnetzen der grossen, öffentlichen Telekommunikations Netzbetreiber (Carrier) im In- und Ausland.
- Systeme zur Überwachung der gesamten Telekom Infrastruktur in den Telefonzentralen und sonstigen Gebäuden der Carrier landesweit, inkl. Überwachung von Heizung, Lüftung, Klimaanlagen, Stromversorgungen etc.
- Dezentrale Erfassung aller Gesprächsdatensätze aus dem Fixnetz und deren Übermittlung an das Billingsystem, wo die Telefonrechnung erstellt wird.
Dies mit Millionen von Datenrecords pro Tag, extrem hoher Sicherheit und Verfügbarkeit, weil sonst die Rechnungen nicht erstellt werden können.
Wir hatten immer mit dezentraler, weit verteilter Datenerfassung/Sensorik, der Übermittlung an eine zentrale Stelle und der Datenauswertung zu tun. Diese Erfahrung ist uns auch später, als wir gemerkt hatten, dass die Energieversorger und Telekomnetzbetreiber immer enger zusammenrückten, sehr zustatten gekommen. Unsere Kommunikations-Gateways sind heute bei vielen Energieversorgern zur täglichen Erfassung der Lastgangzählerdaten bei Tausenden von wichtigen Stromkunden im Einsatz. Auch hier geht es immer wieder um dasselbe Thema: Digitalisierung/Erfassung von Daten in weit verzweigten Organisationen und der sicheren, zuverlässigen und verschlüsselten Übertragung dieser Daten.
Früher nannte man dies machine-to-machine communication (m2m) und heute ist dafür das Schlagwort Internet of Things (IoT) in aller Munde. Uns liegt das so quasi in den Genen!
Ich habe viele geologische Untersuchungen im Aar-Massiv gemacht. Hat das «Aar» im Namen Ihrer Firma etwas mit dem Aar-Massiv zu tun, oder mit der dort entspringenden Aare? Wie kam die Firma zu diesem interessanten Namen?
Ja, hat es tatsächlich! Wir Aartesys Gründer stammen alle im weitesten Sinn aus dem Gebiet des Aaretals; vom Berner Oberland bis hinunter nach Solothurn. Auch das Wortspiel «Aare», «Aarte» (Kunst auf italienisch, wenn auch mit Doppel A) und «Sys», wie Systeme, also «kunstvolle Systeme» passt bestens zu unserer Tätigkeit.
Im Übrigen hat das doppelte Aa auch seine Vorteile: bei Firmenauflistungen figurieren wir meistens an erster Stelle. Und der Name scheint interessanterweise auch vielen Leuten, auch solchen, die ihn zum ersten Mal hören, irgendwie vertraut zu sein. So gesehen war der Firmenname Aartesys ein gelungener Wurf.
Ein Hauptanwendungsgebiet Ihrer Technologie sind ja die Naturgefahren wie Massenbewegungen und Lawinen. Wie kam Aartesys zu diesem speziellen Anwendungsgebiet? Gibt es auch weitere Anwendungen im Bereich der Geologie?
Ja, die Naturgefahren sind ein sehr wichtiges Anwendungsgebiet unserer Technologie, insbesondere auch unter dem Aspekt der Klimaerwärmung, die bekanntlich zu immer mehr und immer heftigeren Naturereignissen führt. Langfristiges Monitoring, rechtzeitige Warnung und sofortige Alarmierung sind sehr wichtige Massnahmen zur Schadensminderung im Ereignisfall, besonders wenn es um Leib und Leben geht. Und es ist auch ein grosser Wachstumsmarkt!
Zu diesem speziellen Anwendungsgebiet kamen wir unter anderem mit Hilfe von später zu uns gestossenen Mitarbeitern, nota bene ebenfalls ehemalige «Ascömler», die an der Entwicklung des Lawinenverschütteten-Suchgeräts Barryvox, massgeblich beteiligt waren. Damit hatten wir bei uns alle Fähigkeiten zur erfolgreichen Entwicklung von AarteLink in idealer Weise gebündelt:
- Sensortechnologie auf höchstem Niveau
- ausgeklügelte Kommunikationstechnik, die auch in Gegenden funktioniert, wo keine öffentlichen Kommunikationsnetze verfügbar sind
- extrem stromsparende Schaltungstechnik
- und nicht zu vergessen intelligente, robuste Mechanik
Nebst den Anwendungsgebieten bei der Detektion von Massenbewegungen und Lawinen gibt es eine ganze Reihe weiterer Anwendungen von AarteLink in der Geologie, aber auch ausserhalb. Zum Beispiel:
- Felsspaltenmonitoring (Telejoint)
- Temperaturmessungen
- Pegeldetektion
- «Geofon»
- Baugrubenüberwachung
- Überwachung von Hochspannungsleitungen direkt auf den Leiterseilen
Montage eines Geosensors mit Telejoint in einer Felswand
Murgang an der SBB Strecke Bern-Freiburg in Flamatt
AarteLink Lawinenwarnanlage in der Innerschweiz
Die Nutzung der geothermischen Energie ist auch hierzulande ein sowohl politisch wie geologisch wichtiges Thema, und der Bund unterstützt die Geothermie finanziell mit beträchtlichen Mitteln. Ist Aartesys auch in diesem Bereich tätig, beispielsweise bei der Aufzeichnung und Übertragung von seismischen Daten?
Nein, bis anhin sind wir in diesem Bereich (noch) nicht tätig. Das Gebiet ist aber zweifelsohne hoch interessant, wenn auch leider ein paar unglückliche Projekte (z. B. in Basel, St. Gallen) für ein negatives Image in der Bevölkerung gesorgt haben. Ihre Frage jedenfalls ist gut. Wir werden uns das näher anschauen!
Was sind Ihre Erfahrungen bezüglich Zusammenarbeit mit Geologen und Geologinnen? Macht dies Freude, oder ist es eher harzig? Wie fit ist die Geologenzunft bei der Interpretation der vielen digitalen Daten? Was könnte/müsste hier verbessert werden?
Die Zusammenarbeit mit den Geologinnen und Geologen ist für uns sehr wichtig und zwar in mehrfacher Hinsicht. Sie sind die Spezialisten, wenn es um das Verständnis der bei Naturgefahren ablaufenden oder zu erwartenden Prozesse geht. Wir von Aartesys können dann Hilfestellung bei der korrekten messtechnischen Erfassung solcher Prozesse und der rechtzeitigen Alarmierung bieten. Die GeologInnen liefern uns auch sehr wertvolle Inputs, wenn es um die Weiterentwicklung unserer Systeme geht: Kurz gesagt, wir brauchen uns gegenseitig und die Zusammenarbeit macht ausnahmslos Freude und ist überhaupt nicht harzig.
Die Interpretation der vielen digitalen Daten ist in der Tat kein leichtes Unterfangen. Viele Daten anzuhäufen ist schnell gemacht. Daraus dann die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist ein anderes Thema.
Klar können auch intelligente technische Auswertungen der angehäuften Daten (Stichwort KI «künstliche Intelligenz») die Interpretation deutlich vereinfachen. Unabdingbar bleibt aber nach wie vor die grosse Erfahrung der Geologen bei der Datenauswertung – und sei es nur zum Training der KI-Algorithmen. Big Data Evaluation ist generell im IoT Bereich eine ganz wichtige Sache und führt manchmal zu ganz unerwarteten, wertvollen Rückschlüssen.
Hie und da wundern wir uns zwar etwas über die Versuchung der Geologen, Daten bis auf die vierte Stelle hinter dem Komma auswerten zu wollen, weil es heute doch so einfach messbar ist. Dies führt oft zu einer scheinbaren Genauigkeit, die real wenig Bedeutung hat.
Kommt Aartesys über die Bauherren zu Aufträgen im Naturgefahrenbereich, oder über die Geologen?
Sowohl als auch! Die Geologen spielen aber immer eine wichtige Rolle und sind bei fast allen AarteLink Projekten irgendwie involviert. Sehr oft beim Entscheid, ob ein Projekt subventioniert werden soll, oder nicht... (die Kantonsgeologen!)
Die Digitalisierung geht schnell weiter. Wie sieht Aartesys die digitale Zukunft? Welches sind die wichtigsten Rahmenbedingungen für den weiteren Erfolg?
Das Internet of Things und damit die Digitalisierung werden bei uns Menschen in immer weitere Lebensbereiche vordringen und zu ungeahnten Möglichkeiten, aber auch zu nicht vernachlässigbaren Gefahren führen. Stichworte: Cyberkriminalität, der «gläserne Mensch»; wer die Daten hat, hat die Macht! Es entsteht ein riesiger Markt und davon wollen wir bei Aartesys profitieren!
Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen für den weiteren Erfolg folgende Fragen/Statements:
- Wer garantiert, dass auch in zehn Jahren ein einmal erworbenes System noch gewartet und betrieben werden kann? Investitionsschutz!
- Wir stellen fest, dass gerade bei Betreibern von kritischen Infrastrukturen swissness plötzlich wieder sehr gefragt ist.
- Wo werden die Daten gehostet? Irgend in einer globalen Wolke eines Internetgiganten oder unter eigener Kontrolle?
- Up-to-date in der technischen Entwicklung sein und nie stehen bleiben
- Wie sicher sind die Daten auf dem Weg von der Quelle zur Senke?
- Vertrauen ist ein enorm wichtiges Gut in der erfolgreichen Vermarktung
- Verlässliche Partnerschaften mit anderen Marktteilnehmern
- Sind die Systeme gegen Hackerzugriff gewappnet?
- Ein breiter, interdisziplinärer Mix von Kompetenzen bei den Mitarbeitern
Dazu haben wir bei Aartesys etwas zu sagen und haben Antworten!
Franz Schenker: Vielen Dank für das interessante Interview. Ihre Antworten werden dazu beitragen, die erdverbundenen Geologen noch motivierter und kenntnisreicher in die digitale Zukunft zu begleiten. Dies ist ja das Ziel des Geologentages mit dem etwas plakativen Motto «Robot Geologist». Herzlichen Dank, Martin, und bis bald am Geologentag.